Was ist nur aus der Jugend von heute geworden?
Und plötzlich war alles anders…
Februar 2020, ein paar Schneeflocken fielen, es war dunkel, wir saßen gemeinsam im Klassenraum und freuten uns schon sehnlichst auf den freien Abend. Unser Lehrer äußerte am Ende der Stunde seine Bedenken zu dem Virus, das doch noch so weit entfernt war. Kindlich unbedacht machten wir noch Späße darüber und sahen keinerlei Probleme oder Sorgen. Doch schon zwei Monate später saßen wir zu derselben Zeit zu Hause, Corona war nun auch hier angekommen. Ich erinnere mich noch an den Tag, als die ersten Aufgaben unserer Lehrer per Mail eintrudelten. Was ist nur passiert?
Diese Frage hat man sich oft gestellt, denn es war doch alles so unscheinbar, so weit entfernt und doch näher als man dachte… Alles passierte spontan und plötzlich, man war von heute auf morgen auf sich alleine gestellt, man musste sich organisieren und das ist eindeutig leichter gesagt als getan. Alles war anfangs sehr chaotisch, man hoffte täglich wieder in die Schule gehen zu dürfen, doch das war wohl eher ein Traum. Jetzt hieß es durchhalten und Ruhe bewahren, unsere lang ersehnte Abschlussfahrt war noch in weiter Ferne und die Infektionszahlen hielten sich in Grenzen – also warum Gedanken machen?
Homeschooling in Herkenrath, ein Grund zur Hoffnung?
Es ist nun Februar 2021 und wir sitzen wieder zu Hause! Es klingt wie ein schlechter Scherz, aber geändert hat sich nichts. Corona ist immer noch da, die Abschlussfahrt abgesagt und bald steht doch schon unser Abitur vor der Tür. Doch ich muss mich korrigieren, denn das Homeschooling hat sich geändert. Das unübersichtliche Aufgaben-Chaos aus dem Vorjahr ist verflogen, es werden einheitliche Plattformen verwendet und man kann seine LehrerInnen und MitschülerInnen durch Videokonferenzen sehen. Ein wenig Normalität verbreitet sich dadurch, ein wenig Hoffnung aber auch Freude. Wer hätte gedacht, dass sich SchülerInnen irgendwann freuen und unbedingt in die Schule wollen? War nicht sonst die Freude groß, wenn die Ferien nahten?
Die Prioritäten der Jugend scheinen sich verlagert zu haben, die kleinen Dinge scheinen gerade jetzt sehr bedeutsam zu sein. Ich lernte somit mit der Situation auszukommen, fühlte mich sehr gut aufgehoben und merkte auch an meinen Mitschülern, dass sie zufriedener waren als noch im Jahr zuvor. Auch, wenn die Aufgabenfülle mancher Lehrer immer noch sehr umfassend und nicht immer machbar ist und natürlich ab und an die Internetverbindung oder Überlastungen der Plattformen einem einen Strich durch die Rechnung setzen, so bin ich wirklich froh darüber, dass man uns versorgt. Diese Struktur und Einheitlichkeit ist es, die einem als Schüler sehr viel Sicherheit gibt.
Homeschooling auf lange Sicht ist jedoch sehr unvorstellbar, denn Schule ist mehr als nur Unterricht, die ganzen Sozialkontakte fallen mehr oder weniger weg, man hat die meisten nun seit Mitte Dezember nicht mehr „real“ gesehen, was nun schon eine wirklich lange Zeit ist und besonders jetzt vor dem Abitur doch auch sehr wichtig. Denn die Schulzeit neigt sich dem Ende zu, die MitschülerInnen verteilen sich in ganz Deutschland und die gemeinsame Zeit ist dann mehr oder weniger vorbei. Gerade deswegen wäre Präsenzunterricht für die Abschlussjahrgänge noch einmal so bedeutsam. Egal, wie gut der Unterricht zu Hause auch sein mag, man arbeitet alleine vor sich hin und deswegen könnte ich mir vorstellen, dass besonders dieses Problem in den jüngeren Jahrgängen noch viel extremer ist. Denn in der Oberstufe hat man eine Bringpflicht, man muss somit so oder so eigenständig sein, doch bei den kleineren Schülern sind es häufig auch die Sozialkontakte, die das Lernen deutlich vereinfachen. Das Homeschooling ist nicht perfekt, nichts ist perfekt, es gibt immer welche, die aus der Reihe tanzen, doch ich bin froh, Schülerin am Gymnasium Herkenrath zu sein, denn wie man aus dem Bekanntenkreis wahrnehmen kann, ist dieses digitale Lernen noch lange keine Selbstverständlichkeit!
Unser Abitur in Gefahr?!
Unser Abitur naht, es ist nicht mehr lange und schon bald wird sich unser Leben noch einmal verändern. Von Veränderungen habe ich bereits genug und deshalb befürworte ich das normale Einheitsabitur! Warum wollen so viele, dass man uns anders behandelt? Wir haben uns Corona auch nicht ausgesucht und es ist keinesfalls toll, dass wir unser Abitur genau in diesem Jahr machen müssen. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert! Die Schulen versuchen uns bestmöglich auf unser Abitur vorzubereiten und noch immer liegen wir in der Zeit. Das Durchschnittsabitur vermag zwar für viele ein schöner Kompromiss zu sein, doch dann werden wir immer der Jahrgang sein, der das Abitur mehr oder weniger „geschenkt“ bekommt.
Und wenn man mal ehrlich ist, wer will schon so eine Sonderstellung einnehmen? Man kann bestimmt Kompromisse finden, beispielsweise durch mehr Auswahlklausuren oder Auswahlaufgaben, oder generell einer neuen Struktur für das Abitur im Jahr 2021, doch das Durchschnittsabitur ist meines Erachtens kein guter. Wir wissen, dass man uns immer mitleidig als den „Coronajahrgang“ bezeichnen wird, doch warum sollte man uns dann ein Durchschnittsabitur geben? Ein verändertes Einheitsabitur ist dort doch viel sinnvoller und würde uns als Schülern auch ein wenig Normalität zurückgeben.
Großes Gerede und kleine Kämpfer
Wenn man den Fernseher anmacht und die Zeitung aufschlägt ist das Thema immer nur „Corona“. Immer hört man, wie große Politiker ihre Reden schwingen und sich in Fragerunden, wie kleine Kinder im Sandkasten um die einzige Schaufel streiten. Immer wird man als Jugendlicher vertröstet und man muss mal wieder „durchhalten“ und „Vorsicht“ zeigen. Doch wie lange noch? Konsensfindung wäre gerade viel wichtiger als der Kampf um das Kanzleramt oder um jeglichen politischen Posten. Politik wirkt auf mich momentan wie ein Wettbewerb, man versucht immer alles größer, schneller und besser zu machen, doch was verändert sich?
Ich kann von Glück sprechen, dass ich zu Hause die Möglichkeit habe, für die Schule zu arbeiten. Doch wie viele Menschen gibt es in Deutschland, die das nicht können, die unschuldigerweise abgehangen werden? Wenn man nicht aufpasst, verliert man dort viele Kinder und Jugendliche, die man nur schwer wieder auffangen kann. Wie viele kleine Kämpfer wird es momentan wohl geben, die von den Schulen zwar bestmöglich unterstützt werden, aber einfach nicht die gleichen Voraussetzungen wie andere haben und mehr oder weniger auf sich alleine gestellt sind?
Grundlegend muss viel mehr für die Schulen getan werden. Wie viele Milliarden Euros werden jährlich in ganz Deutschland ausgegeben? Für alles ist genug Geld da, doch trotzdem sind die meisten Schulen in ihrer Entwicklung zurückgeblieben. Ausgestattet mit einem WLAN-Anschluss, wie der von einem Einfamilienhaus, wird man wohl auch keine Wunder erreichen können. Dabei frage ich mich, ob nicht gerade Digitalisierung immer als wichtig angepriesen wird. Die Kreidezeit ist wortwörtlich in der Schule noch nicht vorbei, „analog statt digital“ ist das Motto und dabei wollen doch so viele LehrerInnen und SchülerInnen mehr als nur das. Corona zeigt dieses Versagen der Politik tagtäglich. All das, was die ganzen Jahre aufgeschoben wurde, kommt jetzt zum Vorschein und schon wieder ist das Gerede groß! Was war da nochmal mit der PISA-Studie?
„Die Jugend von heute“
Immer wenn man diesen Spruch zu hören bekommt, fragt man sich, was denn früher wohl besser war. Kind bleibt Kind, Jugendlicher bleibt Jugendlicher. Nichts hat sich verändert und doch wird man anders behandelt. Alles wird auf die Jugend projiziert, doch dass es gerade für diese momentan nicht einfach ist, bemerkt kaum einer. Es muss was getan werden, um gerade dieser Jugend von heute eine Perspektive zu geben und das geht nicht mit einem einzelnen Breitbandanschluss, der bei vielfacher Nutzung doch zusammenbricht – das geht nur mit einer vollständigen Weiterentwicklung der Schulen und mit ausreichenden Geldern des Staates. Wenn das Bildungssystem zukünftig weiterhin so rückständig bleibt, wird die Jugend von heute abgehangen werden, denn viele Länder sind schon deutlich weiter. Unserem Jahrgang wird es so oder so nichts mehr bringen – wir verlassen dieses Schuljahr die Schule, doch es sollte etwas für die kommenden Jahrgänge getan werden. Noch ist die Chance da.
Was ist also aus der Jugend von heute geworden? Die Jugend von heute ist eine Generation, die viel einstecken muss und zugleich viel ausbaden wird. Es ist eine Generation, die nur sehr unsicher auf die Zukunft blicken kann. Und ja, vielleicht gibt es die einen oder anderen Ängste und Sorgen, doch trotzdem lassen wir uns nicht unterkriegen. Corona hat noch einmal verdeutlicht, dass das deutsche Bildungssystem ein Pulverfass ist, Kinder und Jugendliche werden unschuldigerweise abgehangen. Wenn die Politik also nicht will, dass dieses Pulverfass explodiert, so sollte diese jetzt handeln. Schulen müssen modernisiert werden und allen Schülern sollte eine Chancengleichheit ermöglicht werden. Denn mit dem bisherigen Motto „Augen zu und durch“ geht es nicht mehr weiter!
Angelina Meurer (Abitur 2021)