Meine Erfahrungen im „Homeschooling“
Auf einmal waren wir auf uns allein gestellt. Keiner von uns SchülerInnen wusste, wie Lernen auf Distanz funktioniert und wie das „Homeschooling“ abläuft. Es wurde überall davon gesprochen, aber niemand sagte uns, was genau das für uns SchülerInnen bedeutet. Gleichermaßen mussten sich auch die LehrerInnen erst einmal mit der neuen Situation auseinandersetzten. Das „Homeschooling“ bestand zunächst nur aus Wochenplänen mit Aufgaben, die wir zu bestimmten Zeiten einreichen mussten und für dessen Bearbeitung ich fast den gesamten Tag brauchte. Nur in vereinzelten Fächern fanden Videokonferenzen statt.
Erschwerend kam hinzu, dass die Schule oft erst kurzfristig die Informationen über neue Maßnahmen erhielt. So erfuhren auch wir SchülerInnen teilweise erst zwei Tage vor Unterrichtsbeginn von dem Schulstart. Mit genügend Selbstdisziplin und gutem Zeitmanagement schaffte ich es aber gut durch den ersten Lockdown. LehrerInnen und SchülerInnen versuchten gemeinsam diesen Ausnahmezustand zu meistern.
Leider hält dieser Ausnahmezustand länger als erwartet an und wir befinden uns erneut im „Homeschooling“. Das anstehende Abitur rückt näher, aber trotzdem sind die Probleme aus dem ersten Lockdown, wie z.B. Schulkommunikation und Informationsweitergabe, auch ein halbes Jahr später immer noch ungelöst. Für uns als Abschlussstufe gelten die gleichen Maßnahmen wie für jede andere Stufe auch und wir müssen uns im Distanzunterricht auf das bevorstehende Abitur vorbereiten.
Während im ersten Lockdown über unterschiedliche Plattformen gearbeitet wurde, verläuft das Stellen und Abgeben der Aufgaben im zweiten Lockdown etwas strukturierter. Teile des Unterrichts werden mittlerweile per Videokonferenz gehalten, allerdings kommen damit neue technische Probleme auf. Immer wieder verhindern schlechte Internetverbindungen einen flüssigen Ablauf der Meetings, SchülerInnen werden aus den Konferenzen herausgeworfen und LehrerInnen können Meldungen nicht sehen. Die Inhalte, die die LehrerInnen in den Meetings zeigen, müssen regelmäßig einzelnen SchülerInnen zugeschickt werden, weil die Bilder bei ihnen nicht laden.
Zusätzlich zu den Videokonferenzen müssen wir schriftliche Aufgaben einreichen. Ich stehe früh auf, um die Aufgaben zu bearbeiten und pünktlich einreichen zu können. Täglich sitze ich bis spät abends noch am Schreibtisch. Um das zu verhindern, habe ich angefangen immer früher aufzustehen und beginne mittlerweile schon vor acht Uhr mit den Aufgaben und sitze trotzdem noch bis abends am Schreibtisch. Nach eigentlichem Plan für dieses Halbjahr hätte ich deutlich weniger Wochenstunden und fast täglich um 13:15 Uhr Unterrichtsschluss. Stattdessen sitze ich jetzt von früh morgens bis spät abends an den Aufgaben.
In einem Fach mache ich aber auch positive Erfahrungen mit Distanzlernen. Neue Themen werden verständlich und gut vermittelt und der Aufgabenumfang ist angemessen. Auch wenn das leider in den wenigsten Fächern der Fall ist, zeigt dieses Beispiel, dass „Homeschooling“ auch Chancen mit sich bringt. Das Lernen erfolgt individueller und persönliche Schwächen oder Stärken können gezielt ausgearbeitet werden. Mit einer besseren Förderung und vielleicht auch mit einer besseren Struktur im Sinne der Schulpolitik, können ganz neue Chancen im Bereich Bildung im Distanzunterricht entstehen.
Leider ist das jedoch aktuell noch nicht der Fall. In den wenigsten Fächern erhalte ich Feedback zu den bearbeiteten Aufgaben. Besonders im Hinblick auf die bevorstehenden Abiturprüfungen, würde ich gerne aus den Abgaben lernen, mich verbessern und wissen, wie meine Leistungen ungefähr eingeschätzt werden.
Aber auch in Bezug auf mein Abitur in Sport mache ich mir Sorgen. Wie soll ich mich auf die praktischen Prüfungen vorbereiten, wenn kein einziger Sportplatz betreten werden darf? Ich habe zuhause nicht die Möglichkeit Speerwurf, Kugelstoßen, oder Hochsprung zu trainieren. Laut aktuell geltender Abiturbedingung müssen diese Sportarten aber als Pflichtprüfung absolviert werden. Ebenso stelle ich mir die Frage, wie ich mich ausreichend auf meine mündliche Prüfung in Spanisch vorbereiten soll. Die LehrerInnen sind zwar dazu befugt die Themen einzugrenzen, aber das Sprechen der Fremdsprache muss ich für jedes Thema beherrschen.
Und wenn Videokonferenzen auf Grund von schlechter Verbindung regelmäßig abgebrochen werden müssen, bleiben nur die schriftlichen Aufgaben zur Vorbereitung auf meine mündliche Prüfung. Diese beispielhaften Defizite lassen sich in Zukunft in möglichem Präsenzunterricht nicht so einfach ausgleichen. Das Erlernen einer Sportart oder einer Fremdsprache sind langwierige Prozesse, die nicht durch eine kurze intensive Auseinandersetzung kurz vor dem Abitur noch erlernt werden können. Nun macht sich bemerkbar, dass für alle SchülerInnen, Stufen und Abiturschwerpunkte schlicht weg die gleichen Bedingungen und Regeln gelten, obwohl in manchen Fächern ganz anderer Unterricht und Abiturvorbereitungen ablaufen würden und eigentlich auch ablaufen müssten.
Die Situation in der Schule hat sich stark verändert, aber die Bedingungen für unser Abitur bleiben fast gleich.